Okay. Diesmal keine langen Worte oder Entschuldigungen für die viel zu lange Wartezeit. Nur ein Dank an alle, die immer wieder nachfragen und Garry Poppers über die Jahre die Treue gehalten und positives wie konstruktives Feedback gegeben haben. Danke dafür.
Wer nicht weiß worum es geht, dem sei dringend geraten bei Kapitel 1 anzufangen, denn wer jetzt neu zusteigt wird wohl sonst nichts kapieren. Allen die schneller einsteigen wollen oder die seit dem letzten Kapitel nochmal ihr Gedächnis auffrischen wollen, dem sei wie immer die Zusammenfassung “Garry Poppers… the story so far” empfohlen.
Und jetzt, viel Spaß mit dem neuesten Kapitel von Garry Poppers, dessen Reise sich so langsam dem Ende nähert.
Das Reden der Anderen
Durch Klebeband, dass seine Augen abdeckte, blendete ihn das Licht. Gezielt. Grell, weiß und beissend. Frass sich in sein Gehirn, das schmerzhaft pulsierte.
»Ist er wach?«
»Grad so. Soll ich ihn-«
»Danke, ist in Ordnung. Ich komme zurecht.« Eine bekannte Stimme. »Sehen sie nicht aus wie kleine Engel, wenn sie schlafen.«
»Der Engel und seine Drecksbande haben fünf Menschen auf dem Gewissen. Falls sie sowas überhaupt besitzen. Drei Kollegen sind tot. Der Bengel-«
»Danke.« Die Stimme unterbrach den anderen Mann freundlich, aber unzweideutig.
Ein Türenklappen.
Etwa berührte ihn an der Schläfe. Garry wollte zurückzucken. Ein brennender Schmerz, ein Ratschen, als ihm das Gaffatape von den Augen gerissen wurde. Die Halogenlampen blendeten ihn jetzt direkt. Er wollte ausweichen, doch sein Bewegungsspielraum war zu gering. Mit Handschellen an den Stuhl gefesselt, hockte er an einem glatten Resopaltisch, es roch nach Lösungsmitteln und altem Staub.
Der Mann war nur als Silhoutte zu erahnen, so sehr Garry sich auch bemühte, er konnte nichts sehen. Getrocknetes Blut hatte ihm die Wimpern zusammengeklebt. Seine Augen brannten.
»15 Jahre sind eine lange Zeit Junge.«
»Was?« Garrys Stimme klang krächend seine Lippen öffneten sich nur mühsam. Sein Mund schmeckte nach Kupfer.
»Brandstiftung. Schwere Körperverletzung. Totschlag. Das sind mindestens 15 Jahre. Wenn der Richter dich so davonkommen lässt. «
»Wo-wovon redn Sie«, Garry räusperte sich und schluckte einen großen Klumpen Schleim herunter.
»Von dem was du und deine kleine Freunde angerichtet haben. Der Anschlag auf die Schule. Erpressung von Lehrkräften. Deine ganzen kleinen Streiche in diesem Schuljahr sind da noch nichtmal eingerechnet… Anstiftung zum ungehorsam. Beschädigung von Schuleigentum. Und dieser grausame Streich, der den kleinen Sascha das Leben kostete…«
»Ich…«Garry fehlten die Worte.
»Garry ich weiß nicht ob du dir über den Ernst der Situation klar bist. Das ist schon lange kein Spiel mehr, was du und deine kranken Freunde sich da ausgedacht haben. 15 Menschen sind tot. Tot. Geht das in deinen Kopf?«
»Ich.. ich hab… niemanden…«
»Niemanden? Erzähl das den Familien der drei Beamten die heute nacht gestorben sind. Erzähl das deinem Rektor, dessen Internat du zerstört hast! Was geht in deinem Kopf vor Garry, ganz ehrlich, ich kapier es nicht? WAS GEHT DARIN VOR?«
Der Mannst stützte sich auf dem Tisch auf, und stand vornübergebeugt, so nah, dass Garry fast die Gesichtszüge erkennen konnte. Der Junge fror und schwitzte gleichzeitig. Schweiß rann ihm in die Augen und er merkte das er zitterte.
»Was wollen Sie von mir… Ich wollte nur-«
»WAS WOLLTEST DU? Ganz ehrlich, erklär es mir, denn ich verstehe es nicht. Was habt ihr mit der Aktion bezweckt? Wolltest du dich an den Lehrern rächen? Ab deinem Onkel? Du hast St. Constantine von Anfang an gehasst, war es das?«
»Nein, ich… Sie verdrehen alles! Ich wollte die Schule retten, ich wollte Tom retten…. ich-«
»Retten wovor? Was hatten du und der kleine Malejoy mit ihm vor? Sollte er eine Sonderbehandlung bekommen? So wie Sascha und der Harber-Junge? Wollte er aussteigen? Hat er gedroht euch zu verraten? Wollte er euer mieses Spielchen nicht mehr länger mitmachen? War es das? WAR ES DAS?«
Der Mann stand jetzt hinter Garry. So dicht zu ihm heruntergebeugt, dass der Junge dessen Atmen an seiner Wange spürte.
»Du erträgst es nicht, wenn dir jemand widerspricht. Ist es nicht so?«
Die Hände des Mannes legten sich auf seine Schultern. Garry verkrampfte sich unwillkürlich.
»Das macht alles keinen Sinn. Rufen Sie Fumblemore… er wird ihnen bestätigen-«
»Fumblemore? Garry, was glaubst du wer uns eingeschaltet hat? Euer Rektor hat endlich eingesehen, wer wirklich hinter den ganzen Anschlägen steckte. Du warst immer in der Nähe, wenn etwas passierte. Komisch, nicht wahr? Wo warst du als Paul sich die Arme aufschlitzte? Alle waren bei dem Spiel in der Sporthalle? Nur du… Und wer war als letzter im Internat vor der Explosion? Du! Wieder ein merkwürdiger Zufall, nicht?«
»Sie verdrehen alles! Van Gey hat-!« Garry versuchte sich umzudrehen, doch die Hände des Mannes hielt ihn fest. Es roch nach Pfefferminz und Nelken.
»Van Gey! Was haben du und Malejoy mit ihm angestellt? Ist er euch drauf gekommen? Wollte er euch hindern-«
»Sie hören mir gar nicht zu! Sie verstehen nicht-!«
»NEIN GARRY! DU VERSTEHST NICHT!« Für eine Sekunde lag die Hand des Mannes um seinen Hals und drückte ihm die Luft ab. »Du verstehst NICHTS. GAR NICHTS! NICHTS GEHT IN DEINEN DUMMEN SCHÄDEL REIN!«
Garry warf sich hin und her. Sein Stuhl geriet ins Schwanken. Plötzlich ließ ihn der Mann los und für eine Sekunde fühlte sich der Junge beinah schwerelos, als sich sein Horizont verschob und die Wand gegen die Decke trieb. In derselben Sekunde als er realisierte, dass sein Stuhl umkippte, schlug er auch schon mit dem Kopf hart auf den Holzboden.
Das letzte was er mitbekam, war der Schatten des Mannes, der zur Tür ging und den Raum verließ.
»Bringen Sie ihn zurück… Er wird noch reden. Geben Sie ihm noch eine Dosis.«
***
Es war alles irreal. Die Zelle in der er saß. Ein grauer Raum. 5×7 Schritte groß. An der Decke surrte eine Neonröhre. Keine Fenster. Eine metallene Tür aus mattem Chrom. Seine Gedanken schwammen. Garry wollte sich konzentrieren. Fokus. Fokus. Wie lange war er schon hier? Seine Erinnerungen tanzten immer knapp ausserhalb seiner Reichweite.
Konkrete Gedanken waren wie glibschige Luftballons, die ihm immer dann entglitten, wenn er seine Arme ausstreckte und nach ihnen griff.
Das Licht brannte in den Augen. Es war schon so spät. Gleich würde wieder das Licht verlöschen.
Konzentrieren.
Kon
Zen
Trie
Ren
Der Junge versuchte sich langsam an seine Erinnerung heranzupirschen. Die Realität in kleinen Fragmenten zu begreifen. Fokus. Er trug noch immer die Ringe von Handschellen deren Kette zerbrochen war. Seine Kleidung war… Er trug ein grobes, blaues Hemd und eine Hose aus kratziger Baumwolle. Die Hose war zu kurz. Wenn er zwischen den angewinkelten Beinen auf seinen Knöchel sah, erkannte er einen Verband mit rotbraunen Flecken. Darunter Schuhe. Seine Schuhe. Lehm war zu einer grünbraunen Dreckschicht getrocknet.
Details. Es war wichtig sich auf Details zu konzentrieren. Die Wahrheit lag in den Details.
Garry zupfte am Verband und sog zischend Luft ein, als er festgeklebte Beinhaare und Schorf abriss. Es blutete wieder ein bißchen. Der Schmerz schien für Sekunden eine Schneise in den Nebel zu schlagen, der seine Erinnerung war. Einzeller. Leben in seiner Zelle. Bis sie wieder kamen ihn zu befragen. Fragen nach-
Was hatte er getan?
Du hast deine Freunde umgebracht. 15 Menschen sind tot, Garry. Die Explosion. 15 Menschen. Denk doch einmall nach. War es das wert! All deine Freunde Garry.
Nein.
»Garry!«
Garry riss erneut am Verband an seinem Bein, der Schmerz war exzellent. Der Junge stieß einen Schrei aus.
»Garry… wach auf!« Eine bekannte Stimme. Garry öffnete die Augen und ignorierte den pochenden Schmerz der sein Bein entlangpulste und ihn klarer denken ließ. Jemand zog an seinem Arm. Schwach. Die Tür. Sie stand offen.
Ein vertrautes Gesicht schob sich in sein Blickfeld. Zlatko. Er half Garry auf.
»Zlad? Ich dachte sie haben dich-«
»Schsch. Du bist eingepennt. Komm jetzt.«
Unsicher stand der Junge auf. Seine Beine kribbelten.
»Wir müssen hier weg…«
Zlad war okay. Ein paar Schrammen, aber ansonsten okay. Garry klammerte sich an die Hand des Freundes und folgte ihm aus dem grauen Raum. Sie standen in einem langen Flur. Der Heizungskeller der Schule. Sie mussten hier raus. Er war nicht in einer Polizeistation. Es war St. Constantine. Die ganze Zeit. Die ganze Zeit. Zlad lief schneller den Gang hinauf und Garry musste sich anstrengen ihm zu folgen. Der Gang erstreckte sich weit vor ihnen. Graue Plastikrohre durchzogen die Decke und schutzgitterumfasste Lampen warfen gelblich Licht.
»Komm Garry….«
»Nicht so schnell… mein Bein…« Garry erinnerte sich wieder an den Busfahrer, der ihm einen langen Schnitt oberhalb des Knöchels verpasst hatte. Erinnerte sich wieder an den Bus, der den Hang hinabrollte.
Zladko war voraus gerannt, sie mussten hier aus dem Keller raus, ehe die Polizei zurückkam.
Ehe sie kamen. Garry mühte sich dem anderen Jungen zu folgen und blieb doch immer weiter hinter Malejoy zurück.
Der Boden war matschig. Es kostete ihn Mühe vorranzukommen. Jeder Schritt kostete Kraft. Soviel Kraft. Seine Beine zitterten. Garry sah nach unten und erkannte das es nicht Schlamm war, der ihm das Fortkommen erschwerte. Es waren Körper. Er lief über Körper, die er mit jedem Schritt weiter in eine braunrote Masse trat. Leiber. Gesichter. Garry erkannte Paul Harbers Gesicht, das unter seinem Tritt wegrutschte, daneben Tom. Daneben Zlatko.
Unmöglich. Zlatko lief vor ihm. Garry starrte nach vorne in den Tunnel der immer länger und länger wurde. Im Gegenlicht war nur noch ein Schattenriss zu erkennen.
Es war nicht Zlatko. Es war Benjamin.
»Komm schon Poppers was ist! Du gehst doch sonst auch über Leichen…«
Es war Ben.
Ben der neben ihm hockte. Ben der ihn am Arm hielt und mit sich zerrte.
»Hier lang. Schnell.«
Das Licht wurde heller. Garry stolperte benommen hinter Ben her, auf das grelle Leuchten zu. Der Gang mündete in ein Abwasserrohr und dort hinten war der Ausgang zu erkennen. Ben krabbelte schon hinaus. Eine Böschung hinauf. Garry rutschte mehrmals ab, doch schließlich…
Er stand auf einer Strasse. Ben war verschwunden. Es regnete und roch nach altem Laub. Entfernt rumpelte Donner und Blitze ließen den milchigen Himmel kurz aufglühen. Lichter.
»Pass auf, der Lastwagen!« Jemand riß ihn zur Seite und Garry spürte noch wie er Straßengraben landete. Hörte Hupen und das Quietschen von schweren Reifen auf nassem Asphalt.
***
»Garry? Verdammt was tust du da! Steh auf!« Er wurde an der Schulter gepackt und auf die Beine gezogen. Er kannte die Stimme. »Steig ein. Jetzt mach schon. Und leg dir die Decke da unter, sonst ruinierst du mir die Rücksitze.«
Der Wagen fuhr an. Garry sah die Landstrasse zurückbleiben. Rechts hinter der Böschung lag die Mauer, die St. Constantine vom Zufahrtsweg trennte. Er drehte sich nach vorne um. Versuchte im Rückspiegel das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Kein Zweifel. Es war Onkel Sermon.
»Onkel… was.. wie kommst du- was machst du hier?«
»Wir hätten dich nie dort hin lassen sollen. Ich hab es immer gesagt, aber deine Tante wollte ja nie hören…«
»Was…« Garry versuchte seine Gedanken zu ordnen.
»Verdammtes abartiges Gesindel. Wir haben alles gesehen- Was sie dort getrieben haben mit euch! Es war alles in den Nachrichten.«
»Ich muß… «
»Peverses Gesindel. Es war alles in den Nachrichten, Garry.« Onkel Sermon drehte sich um und sah ihn mit dunklen Augen an. Er fuhr schneller und Regen spritze aus einer Pfütze am Strassenrand auf. »Ich hab immer gesagt, ein kathlisches Internat, das wäre es gewesen, aber nein, deine Tante musste ja auf dieses Schreiben antworten.« Sein Onkel nahm eine Kurve. Schnell. Er fuhr viel zu schnell. »Herausgeforderte Schüler. Ich werde dich herausfordern Junge, oh ja. Ab jetzt ist Schluß mit Tuntenspielchen und Ringelpitz. «Ein entgegenkommender Wagen musste ihnen ausweichen und raste mit schrillem upen an ihnen vorbei. »Ich hab eurem Rektor gesagt, ich lasse dich keine Sekunde länger in dieser Schule. Garry. Ab jetzt gibt es Disziplin. Rohrstock. Jeden Tag. Rohrstock. Jeden Tag. Jeden Tag«
Die Bäume der Allee nur noch verwischte Striche.
»Das Einzige was du verstehst. Jeden Tag. Rohrstock. Jeden-«
Garry öffnete die Seitentür und sprang aus dem Wagen.
***
Als er die Augen wieder öffnete, sah er dreckige Fliesen. Nur unwillig kam die Welt zurück in Fokus. Es roch nach Kupfer und Sagrotan.
St. Constantine. Er lag auf dem Boden der Krankenstation. Der Raum ragte verkantet in sein Blickfeld. Ein Schrank lag umgeworfen zwischen Eingang und den Krankenbetten. Sein Inhalt war über den Boden verstreut.
Die Schiebetüren waren geschlossen.
Garry sah an sich herab. Er war nackt. Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Arme knickte ihm weg. Ein Schlauch.
Aus seiner rechten Armbeuge ragte ein Schlauch, der über ihm in einer Infusionshalterung mündete. Die Flüssigkeit im Plastikbeutel schimmerte hell-bläulich.
Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, die Nadel aus seinem Arm zu ziehen. Dunkles Blut spritzte über die Fliesen. Garry griff nach dem Infusionsständer und begann sich daran hoch zu ziehen. Langsam. Griff um Griff gelang es ihm, doch sein unwilligen Beine knickten immer wieder um. Verdammt, konzentrier dich. Es ist nur in deinem Kopf. Es ist nur… Sein Kopf wurde ganz leicht und er spürte einen sauren Geschmack auf der Zunge. Im letzten Moment gelang es Garry sich herumzudrehen, als ein dünner Strom Magensäure seine Kehle hinaufschoß. Er kotzte neben eine der Hydrokulturpflanzen am Fenster. Er wünschte er hätte mehr im Magen, doch es kam nichts. Sein dünner Leib zuckte unter mehrfachem erfolglosem Würgereiz zusammen. Er stützte sich keuchend an den Infusionsständer, zwang sich durchzuatmen.
Immerhin war sein Kopf etwas klarer und das Zittern in den Beinen ebbte langsam ab. Der Junge stützte sich am Bett ab und balancierte dann vorsichtig zum Waschbecken, neben dem Medikamentenschrank. Vorsichtig mied er die herumliegenden Pillenrollen, Scheren und Spritzenpackungen. Am Waschbecken angekommen, drehte er das kalte Wasser auf und wusch sich das Gesicht, spülte den Mund aus, wischte das Blut aus seiner Armbeuge. Auf dem matten Metalltresen lag eine angebrochene Packung mit Ampullen und eine offfensichtlich benutzte Spritze. Trapanal stand auf den beiden leeren Fläschchen. Was hatten sie ihm…?
Erst jetzt bemerkte er erst die Sirenen die näher kamen. Die hektischen Schritte vor seiner Tür. Nachdem ihn seine Beine wieder halbwegs trugen, wagte er sich zur Tür vor. Er versuchte sie aufzuschieben, doch obwohl die beiden Hälften nicht verschlossen waren, ließen sie sich nicht aufdrücken.
»Wir müssen ihn mitnehmen… Mort-«
»Komm verdammt!«
Die Stimmen verschwanden. Dann ertönte ein Krachen, das Bersten von Holz. Garry zuckte unwillkürlich zusammen und trat einen Schritt zusammen, als kurz darauf an den Schiebetüren gerüttelt wurde.
»Hier ist zu… da ist eine Kette um die Tür, ich hole den-«
Etwas krachte und die Türhälften flogen auseinander. Als Garry es wagte hinter dem umgekippten Schrank hervorzulugen, sah er einen Polizisten mit einer massiven Notfall-Axt im Türrahmen stehen. Der Mann trat einen Schritt auf ihn zu.
»Ich hab den Jungen!«
Garry stieß sich vom Schrank ab und sprintete an dem Mann vorbei. Benommen lief er den Gang hinunter, der Mann mit der Axt folgte ihm. Zur Tür, er musste zur Tür.
Er prallte gegen den schwarzen Brustpanzer eines weiteren Polizisten und stürzte. Strampelte. Krabbelte rückwärts und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, bis sein Kopf mit den Beinen des Axtmanns kollidierten. Er starrte nach oben.
Der Mann ließ die Axt fallen und griff nach Garry.
***
Er lag in einem Bett. Schon wieder. Blinzeln. Sein Kopf fühlte sich an wie mit Helium aufgepumpt. Jemand stand an seinem Bett. Der Junge blickte zur Seite und erkannte die Infusionsnadel die wieder in seiner Armbeuge klebte. Er griff danach und wollte sie herausziehen, doch eine Hand stoppte ihn.
»Nicht Garry, du brauchst das jetzt. Es hilft dir dich zu regenerieren.«
Aus weichgezeichneten Umrissen wurde eine Person. Fumblemore. Sein Rektor nahm seine Hand um drückte sie kurz.
»Er ist wach. Sagen sie Doktor Maynard Bescheid.« Der alte Mann wandte sich Garry zu. »Ich bin so froh, dass wach bist. Du hattest soviel Glück… Wenn die Polizei nicht rechtzeitig gekommen wäre…«
»Polizei? Aber die gehören zu Mort, sie haben- «
»Nicht die Spezialeinheit. Mort hatte nur einige der lokalen Beamten hier unter seiner Kontrolle. Nachdem Rape und Fagrid entkommen sind, haben sie endlich reagiert und eine ganze Einheit geschickt um dort nachzusehen. Mort und seine Truppe konnten abhauen, als sie die Einsatzwagen kommen hörten.«
»Was ist mit Tom? Was ist…« Garrys Stimme brach weg. Sein Mund fühlte sich taub und wie mit Watte gefüllt an. Erst jetzt bemerkte er den Verband, der von seiner Wange bis hoch zur Schläfe lief und ein Teil seines linken Auges verdeckte. Er griff danach, doch Fumblemore hielt sein Hand zurück.
»Nicht Garry. Es ist okay. Nur ein paar Kratzer. Ein paar Stiche. Du hattest viel Glück… das Thiopental- es wird keine bleibenden Schäden hinterlassen. In ein paar Tagen bist du wieder so gut wie neu. «
»Thiop- was? Was ist mit den Anderen? Was ist mit-«
»GARRY!« Eine bekannte Stimme dröhnte von der Tür her zu ihm herüber. Fagrid. Garry spähte an seinem Rektor vorbei, Schmerzen durchzogen seine Brust, als er sich aufsetzte. Fagrid trug selbst ein Krankenhausnachthemd. Auch sein Gesicht war mit zwei Verbänden oberhalb der Stirn bedeckt. Der große Mann wuchtete sich aus dem Rollstuhl in dem er gekommen war und hinkte, sich an der Wand abstützend zu Garry rüber. »Junge du glaubst nicht wie froh ich bin dich zu sehen. Bist du okay…«
Die Pranken des Mannes griffen überraschend sanft nach dem Gesicht des Jungen, drehten es links, dann rechts, bis Fagrid schließlich zufrieden nickte.
»Als sie dich reinschleppten, dachte ich das wars. Wie konntest du nur mit diesem Malejoy mitgehen! Morts Leute haben doch nur drauf gewartet, dass du wieder dort reingehst…«
»Zlatko hat mich-«
»Es war eine Falle. Wir wissen es. Du mußt jetzt nicht darüber reden Garry. « Fumblemore strich Garry über die Schulter. »Es ist meine Schuld, ich hätte wissen müssen das mit Leander etwas nicht stimmt. Es war mein Fehler Garry.«
»Wie konntest du nur so dumm sein! Du wusstest das dich der Kleine in eine Falle locken will und du rennst ihm nach!« Fagrid ignorierte den Rektor und schaute Garry ernst an. »Es tut mir leid, das ich dich nicht beschützen konnte. Es tut mir leid, dass ich euch nicht schützen konnte… Julian und ich, wir haben alles versucht… «
»Julian hat sich feige verkrochen«, flüsterte Garry. »Zlatko hat mich und Tom gerettet. Er hat-«
»Ruhig Garry. Du mußt dich ausruhen.
»Wo ist Tom! Was.. ist was ist mit Zlatko? Moany… was ist…«
Fumblemore senkte kurz den Blick, ehe er Garry in die Augen schauen konnte.
»Du hast genug getan. Ohne dich wären Dani, Pit und all die anderen nicht entkommen. Du konntest nicht alle retten, Garry.«
»Was ist mit Tom und Hermoaning?« Garry hatte sich aufgesetzt und starrte zwischen Fagrid und seinem Rektor hin und her.
»Wir wissen es nicht.« Fagrid sah beschämt aus.
»Sie haben niemanden gefunden in St. Constantine. Im Moment wird grade Morts Waldhütte durchsucht, aber sie haben keine Spur von ihm. Nur ein paar der Beamten, die für ihn gearbeitet haben wurden tot aufgefunden. Und Leander. Sie haben ihn an einer Raststätte gefunden…«
Für eine Sekunde sah Garry das Gesicht seines ehemaligen Lehrers. Der erstaunte Ausdruck, als ihr Wagen ihn erwischt und gegen das andere Auto gequetscht hatte.
»Wir… er wollte uns- Sie haben… Sie haben Paul und Francis…« Garry merkte wie ihm Tränen die Kehle zuschnürten. Er wollte jetzt nicht heulen. »Van Gey hat bekommen was er verdient hat.«
Fumblemore sah unwohl von Garry zu Fagrid. Zurück zu Garry.
»Es… es wäre besser, wenn ihr der Polizei gegenüber diesen Teil eurer Odyssee nicht erwähnt. Wir haben auch so schon genug Fragen, die schwer genug zu beantworten sein werden.«
»Sie haben unsere Schule angegriffen… sie haben eine Bombe gelegt, sie haben einen Schulbus entführt… sie haben Zlaktko… und Tom…« Garry sah wieder seine Freunde vor sich. Zlatkos blutiges Gesicht, das ihn durch die Küchentür anstarrte. Tom wie er von Morts Handlangern und Ben abgeführte wurde…
»Es braucht Zeit. Garry es wird sich alles klären, aber es braucht Zeit. Du musst dich ausruhen.«
»Mein Jungelchen.« Fagrid strich Garry nochmal über den Kopf. »Alberich hat Recht. Komm erstmal wieder auf die Beine. Das wichtigste ist das du lebst.«
»Was nützt es wenn ich lebe, aber alle anderen… alle anderen sind…«, Garry hasste seine dumme weinerliche Stimme und wischte sich zornig über die Augen. »Ich weiß nichtmal was Mort eigentlich von mir wollte… die ganzen sinnlosen Fragen… wieso hat er mich nicht umgebracht, als er es konnte? «
»Vielleicht kann ich erklären.« Eine Stimme drang aus dem Halbdunklen des Raumes. Garry erkannte nur die Silhouette einer Person. Wie lang hatte sie schon dort gestanden und alles mitangehört?
»Garry braucht seinen Schlaf.« Fumblemore wirkte mit einem Mal unruhig und hektisch. »Jetzt ist nicht die Zeit für-«
»Was Garry braucht sind Antworten«, sagte die Person im Schatten. »Alberich, bitte laß uns alleine. Ich denke ich schulde meinem Sohn eine Erklärung.«
Die Figur trat auf das Bett zu und blickte den Jungen an.
»Es tut mir so leid, Garry.«
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Fortsetzung folgt